Noch heute habe ich viel Kontakt zu Freunden aus meiner zweiten Schule
(von Dörte Hackenberg, Austauschprogramm in Mexiko 1989/90)
Mit 17 ging’s im August 1989 los ins Abenteuer México… ein blondes Mädchen fliegt nach Guadalajara! Spanisch konnte ich so gut wie gar nicht, aber nach einer Woche Orientierungsseminar in einem Dörfchen zusammen mit anderen Austauschschülern aus aller Welt hatten wir das Gefühl, schon etwas zu verstehen! Ganz so schnell geht das mit einer fremden Sprache natürlich nicht, aber die Gastfamilien sind darauf vorbereitet und helfen, so viel wie eben möglich ist. Nach drei Monaten erwachte ich einmal schweissgebadet, denn meinen Traum hatte ich vier(!)sprachig erlebt - jede Person sprach im Traum mit mir auf ihrer eigenen Sprache! Es war, als sei damit ein Knoten geplatzt, denn ab dann ging es steil aufwärts mit meinem Spanisch. Deutsch konnte ich während des ganzen Jahres nur beim YFU Mittelseminar sprechen, als die zweite deutsche Austauschschülerin aus Monterrey kam.
„Heute bin ich glücklich, auf die alten Briefe zurückgreifen zu können“
Meine Gastfamilie nahm mich herzlich in ihrer Mitte auf, ich habe drei Gastbrüder, von denen die beiden Grossen jeweils bereits ein YFU Jahr in den USA verbracht hatten und das Nesthäkchen abflog, als ich ankam. Meine Gasteltern sah ich das letzte Mal vor 3,5 Jahren in Madrid, als sie eine Spanien-Reise begannen und noch heute haben wir Kontakt über WhatsApp und FaceTime. Damals war das noch ganz anders! Telefonieren durfte ich 1-2x im Monat für max. 5 Minuten, da das sehr teuer war. Briefe brauchten zwischen 2 Wochen und einem halben Jahr (mein Weihnachtspäcken kam einen Tag vor meinem Geburtstag im Juni an!). Heute bin ich glücklich, auf die alten Briefe zurückgreifen zu können, denn 1989/90 war ein geschichtsträchtiges Jahr in Deutschland und meine Freunde aus der BRD und aus der DDR haben mir eindrücklich geschildert, wie es ihnen erging…
Die Schulen sind sehr unterschiedlich in Mexiko und ich bin dankbar, die Chance gehabt zu haben, einmal währen meines Jahres die Schule zu wechseln, da ich mich auf der ersten Schule nicht wohl fühlte. Beide Schulen waren privat und katholisch, aber komplett unterschiedlich. Noch heute habe ich viel Kontakt zu Freunden aus meiner zweiten Schule, in der ich mich sehr wohlgefühlt habe. Beeindruckt hat mich, dass wir nachmittags Unterricht hatten, denn nur die Kleinen gingen morgens zur Schule, die Oberstufe begann um 14:00 und blieb bis 20:30. Donnerstags war am Abend noch Messe in der Schule… Morgens dann Ausschlafen und Hausaufgaben machen, Sport, Mittagessen, Duschen und zur Schule. Am Anfang komisch, aber dem Biorhythmus der teenager voll angepasst! Nach der Schule haben wir uns oft noch in der Stadt zum Essen oder für’s Kino getroffen.
„Jede Gastfamilie passt auf ihre Schützlinge auf, als sei man das eigene Kind“
Die sozialen Unterschiede sind in Mexiko sehr markant und haben mich wirklich schockiert. In den armen Vierteln durfte ich nur in meinen Ferien helfen, sonst lebte ich mitten auf einem paradiesischen Golfplatz. Auch das Verhältnis zur Polizei ist gänzlich anders - Korruption ist an der Tagesordnung und vor Allem der Polizei darf man nicht vertrauen. Maschinengewehr-schwere Männer vor Banken waren an der Tagesordnung, doch man lernt, den Blick davon abzuwenden, wenn man sie tagtäglich sieht. Auch damals war Mexiko nicht sicher, doch jede Gastfamilie passt auf ihre Schützlinge auf, als sei man das eigene Kind, oder sogar mehr. Ich hatte zumindest nie das Gefühl, in Gefahr zu sein.
Wie hat mich mein Austauschjahr in meinem weiteren Leben beeinflusst? Nach meiner Rückkehr habe ich die Schule beendet, ein Studium begonnen, aber schliesslich doch eine Ausbildung zur Aussenhandelskauffrau in Rohkaffee in Hamburg beendet. Den Lehrplatz erhielt ich (wie ich später erfuhr) nur wegen meines Austauschjahres in Mexiko, da die Lehrfirma so sicher sein konnte, dass ich die Denke und Vorgehensweise der Latinos verstehen und einschätzen konnte. Ich wurde von meine Firma erst nach Kolumbien, dann nach Guatemala und die USA, letztlich nach Zug, CH, geschickt. Inzwischen war ich zur Qualitätsfachfrau aufgestiegen und sollte in Zug das Labor für die Qualitätskontrolle weltweit aufbauen. Seit 2005 lebe ich mit meinem Mann und inzwischen zwei Söhnen und Hund ausserhalb von Lausanne. Vor zwei Wochen haben wir in Hamburg ein Treffen der YFU-Alumni (Ehemaligen) gefeiert, die vor 25 Jahren oder länger ihr Austauschjahr in der Welt verbrachten. Diese Momente sind grandios, voller Emotionen, Diskussionen, Workshops, Weiterdenkens… YFU verändert die Welt, traut euch raus oder holt euch die Welt nach Hause! Ich bin auf jeden Fall dankbar für diesen Weg!